Salz spielte in der österreichischen Geschichte eine bedeutende Rolle. Seit einiger Zeit wird auch in Hall in Tirol wieder produziert. Das Unternehmen „Essenz der Alpen“ stellt Tischsalze in Handarbeit her.
Text: Markus Lechner
Salz ist, in Maßen genossen, überlebensnotwendig und aus keiner Küche wegzudenken. „Es ist die Zutat, die den Charakter einer Speise komplett verändern und ausmachen kann“, ist sich Johanna Jenewein sicher. Gemeinsam mit ihrem Mann Martin gründete sie 2020 das Unternehmen „Essenz der Alpen“ und stieg somit in die Salzproduktion ein. Die Idee dazu kam den beiden auf der Rückreise aus dem Urlaub bei einer Diskussion über Salz aus dem Mittelmeer. „Wir verwenden Meersalz in unserer Küche, obwohl es in den österreichischen Alpen riesige Salzvorkommen gibt“, schildert die Co-Gründerin ihre damaligen Überlegungen. Zu Hause angekommen, wurde mit einem kleinen Topf versucht, selbst Salz herzustellen. Aus diesem Probelauf entstand binnen weniger Monate der Firmenaufbau. Johanna Jenewein bekräftigt: „Wir wollen die Ressourcen vor Ort nutzen und ein altes Handwerk wiederbeleben.“
Vom Wasser zum Kristall
Um zum Endprodukt Salz zu gelangen, wird zunächst alpine Salzsole aus den Salinen im Salzkammergut angekauft. Diese kommt in 800-Liter-Tanks und einem Salzanteil von 30 Prozent in die Produktionsräumlichkeiten nach Hall. Die Elektrolytlösung wird dann in den drei eigens angefertigten Siedebecken aus Edelstahl erhitzt. Durch die Verdampfung bilden sich in weiterer Folge die Salzkristalle. „Das sieht aus, wie wenn es das erste Mal schneit, auf einmal entstehen zarte weiße Flocken“, berichtet Johanna Jenewein mit einem Lächeln auf den Lippen. Für die technische Ausstattung ihrer Salzproduktion schaute sich das Ehepaar Jenewein in anderen Branchen um: „Dabei haben wir versucht, alles sehr regional zu halten.“ Die Becken ließen sie etwa vom benachbarten Schlosser anfertigen. Darüber hinaus will „Essenz der Alpen“ auch beim Erhitzen der Becken so nachhaltig und energieschonend wie möglich vorgehen. „Insgesamt haben wir in unserer Produktion weniger
Stromverbrauch als im eigenen Haushalt“, so Johanna Jenewein. Am Boden der Siedebecken herrscht eine Temperatur von ca. 90 Grad, an der Wasseroberfläche ist diese geringer. Die unterschiedlichen Temperaturen im Becken ermöglichen eine Veränderung der Salzstruktur. Auf diese Weise bilden sich einzigartige Kristallformen aus der unraffinierten Alpensole. Wichtig sei neben der Temperatur auch die Zeit: Bei schnellerem Erhitzen entstehen kleinere Kristalle, wenn langsamer erhitzt wird, größere.
Während die Industrie möglichst homogene und kleine Körner produziert, gilt für die Tischsalze von „Essenz der Alpen“ das Gegenteil. Hier werden dünne, knackige und vor allem unterschiedliche Salzkörner präferiert. Wenn sich die Kristalle gebildet haben, werden sie an den zwei Ernte-Tagen in der Woche von Hand aus den Siedebecken abgeschöpft und getrocknet. Im Anschluss daran werden sie für den jeweils benötigten Verwendungszweck gesiebt oder gemahlen. Das Wissen um die Salzproduktion haben sich Johanna und Martin Jenewein auf eigene Faust angeeignet und sich dabei mit vielen Menschen ausgetauscht. Aktuell ist das Unternehmen „Essenz der Alpen“ der einzige salzproduzierende Betrieb Tirols und beschäftigt sechs Mitarbeiter:innen in Teilzeit. Die Produktion und die Verpackung sind derzeit noch in zwei verschiedenen Gebäuden untergebracht, sollen aber möglichst bald zusammengelegt werden. Im letzten Jahr produzierte „Essenz der Alpen“ zwischen fünf und sechs Tonnen Salz. In diesem Jahr rechnet Jenewein mit dem Doppelten.
- Speisesalz besteht hauptsächlich aus Natriumchlorid (NaCl).
- Salz ist unter anderem wichtig für die Funktion von Nerven und Muskeln, den Flüssigkeitshaushalt, die Verdauung und den Knochenbau.
- Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt Erwachsenen maximal 5 g Salz pro Tag.
- Die Salzvorkommen in Österreich entstanden vor Millionen von Jahren durch Ablagerungen von Meerwasser.
- Der erste Nachweis für Salzgewinnung in Österreich ist ein 7.000 Jahre alter Bergbaupickel aus Hirschgeweih.
Von Zirbenzapfen und Tontöpfchen
Die beiden Verkaufsschlager von „Essenz der Alpen“ sind das geschützte „Alpen Fleur de Sel“ und das „pfannengesiedete Zirbensalz“. Bei letzterem werden Zirbenzapfen vor dem Erhitzen in der Sole eingelegt. In erster Linie werden der regionale Delikatesshandel, touristische Betriebe und die Gastronomie beliefert. Abseits davon werden die Produkte auch im Webshop angeboten, wobei 70 Prozent davon nach Deutschland verkauft werden. Auch im Lebensmittelhandel ist man mit zwei Produkten bei Mpreis vertreten. „Wir haben geplant, weiterhin zu expandieren“, berichtet Johanna Jenewein. Dabei wolle man auf den Spezialitätensektor setzen. Zudem wird auch immer wieder speziellen Kundenwünschen nachgegangen, etwa mit eigens angefertigten Etikettierungen oder Gastgeschenken für Hotels. Da die Produkte nicht fürs Nudelwasser, sondern zum Nachwürzen am Tisch gedacht sind, werden sie in traditionellen Tontöpfchen vertrieben, die zur Aufbewahrung oder zum Backen wiederverwendet werden können. Auf diese Weise kann bei der Verpackung auf Plastik verzichtet werden. Die Biokräuter, die bestimmten Salzen beigemengt werden, stammen aus Afling: „Wir wollen so regional wie möglich arbeiten.“ Der Anspruch sei, ausgewählte Produkte anzubieten und Kunden von der Hausmannskost bis hin zur Haubenküche zu begeistern.
"Salz ist die Zutat, die den Charakter einer Speise komplett verändern und ausmachen kann."
Johanna Jenewein
Bewusster Konsum
Mit ihrem Unternehmen „Essenz der Alpen“ wollen Johanna und Martin Jenewein das Produkt Salz rehabilitieren, das einen schlechteren Ruf genießt, als es verdient. „Wir müssen unseren Konsum hinterfragen“, bekräftigt die Unternehmerin. Das soll mit einem Töpfchen voll Salz auf dem Tisch gelingen, um bewusster zu würzen und auch wieder mehr selbst zu kochen. Hochwertige Rohstoffe, möglichst schonende und nachhaltige Zubereitung sowie Zutaten aus heimischem Bioanbau sollen es richten. Das „einzig lebensnotwendige Suchtmittel“, wie Johanna Jenewein Salz bezeichnet, soll wieder mehr in den Mittelpunkt rücken.
© Michael Rathmayr