Großer Vogel mit viel Geschmack

In Niederösterreich zieht die Familie Gärtner seit mehr als 30 Jahren Strauße groß. Im „Straußenland“ werden die Laufvögel für Fleisch, Eier und Fett, aber auch für ihre Federn und für das wertvolle Leder gezüchtet.

Text: Daniel Feichtner

Im Zuchtbetrieb der Familie Gärtner in Schönberg am Kamp ist alles ein wenig überdimensioniert. Nicht weniger als 18 Hektar Land stehen den Vögeln dort zur Verfügung – und das, obwohl hier jedes Jahr weniger als tausend Tiere gehalten werden. Dennoch ist das notwendig. Denn auf den Wiesen tummeln sich keine Hühner oder Puten, sondern Strauße. Und mit bis zu mehr als zwei Meter Körperhöhe, einer Laufgeschwindigkeit von rund 50 Stundenkilometern und einem Lebendgewicht von über hundert Kilogramm bei den Hähnen brauchen sie vor allem eines: Platz. „Der Tiergarten Schönbrunn ist 17 Hektar groß“, lacht Straußenland-Gründer Reiner Gärtner. „Also für alles – Tiere und Besucher. Wir bieten unseren Vögeln ein wenig mehr.“

Umgesattelt

Erfahrung mit Geflügel hatten Gärtner und seine Frau bereits, bevor sie sich den großformatigen Laufvögeln verschrieben haben. Ursprünglich betrieben sie eine Truthahnfarm. Allerdings kam es Anfang der 1990er zu einem Preiseinbruch in der Branche. Das Ehepaar hatte schon einige Jahre zuvor auf einem Südafrika-Urlaub mit dem Gedanken gespielt, in Strauße zu investieren. „Damals haben wir uns nicht drübergetraut“, meint Reiner Gärtner. „Aber als wir uns etwas Neues suchen mussten, war die Idee gleich wieder da.“ So importierten sie erst Eier und dann 21 Zuchtstrauße aus Harare – um umgerechnet 7.000 Euro das Stück. Nach ein paar Startschwierigkeiten begann die Investition sich bald zu rechnen. Die Herde wuchs. So tummeln sich heute im Straußenland jedes Jahr bis zu 800 Vögel – mittlerweile unter der Pflege und Leitung von Reiners Sohn Wolfgang. Aber der Seniorchef und seine Frau Ingrid helfen weiter nach Möglichkeit.

Proteinbomben

Das ist auch nötig. Denn die Tiere müssen zum einen versorgt werden, was an sich schon eine Mammutaufgabe ist: Jeder Vogel vertilgt täglich zehn bis zwölf Kilogramm Grün- oder zwei Kilogramm Trockenfutter. Darin müssen mindestens fünf Prozent tierisches Eiweiß und ebenso viel Mineralien enthalten sein. Ergänzt wird die Diät von nicht weniger als zehn Liter Wasser pro Tag für jeden Strauß. Denn nur wenn die Hennen genug zu trinken haben, legen sie auch Eier. Zum anderen gilt es auch die Erzeugnisse zu verarbeiten, die von und aus den Vögeln gewonnen werden. Und das Spektrum ist groß. Gerade deswegen legen die Straußenland-Betreiber großen Wert darauf, wirklich alles zu verarbeiten. „Vom lebenden Tier gewinnen wir die Eier“,

erklärt Reiner Gärtner. Die bringen rund 1,5 Kilogramm auf die Waage – 200 Gramm davon reines Protein – und haben in etwa 2.000 Kalorien. „Das entspricht in etwa

25 Hühnereiern“, meint er. „Und pro Saison legt jede Henne im legefähigen Alter bis zu 40 davon.“ Aber ebenso wie bei jedem anderen Geflügel sind die Strauße vor allem auch Fleischlieferanten. Dafür geht es nicht zum Schlachter. Stattdessen werden ausgewählte Tiere im Alter von eineinhalb bis zwei Jahren direkt vor Ort geschossen. „Damit ersparen wir ihnen das Zusammentreiben, den Transport und den ganzen Stress“, weiß Gärtner. „Das ist nicht nur gut für die Fleischqualität. Es ist auch der viel humanere Weg.“

„Ein Straußenei entspricht in etwa 25 Hühnereiern. Und pro Saison legt jede Henne im legefähigen Alter bis zu 40 davon."
Reiner Gärtner, Straußenzüchter und Straußenland-Gründer

Mager und cholesterinarm

Jeder Strauß liefert bis zu 30 Kilogramm mageres und sehr aromatisches Fleisch – primär von den Keulen. Anders als bei flugfähigem Geflügel fehlt ihnen nämlich die ausgeprägte Brustmuskulatur. Mit höchstens 1,5 Prozent Fett ist Straußenfleisch nicht nur sehr kalorien- sowie cholesterinarm und deswegen besonders lange haltbar, sondern auch reich an Protein, was es bei Sportlern sehr beliebt macht. „Wir kommen auf rund vier Kilo Filet, vier Kilo Steak und zwei Kilo Geschnetzeltes pro Tier“, rechnet Gärtner vor. „Der Rest ist Verarbeitungsfleisch, aus dem wir Wurst, Burger, Leberaufstrich und mehr machen.“ Was übrig bleibt, wird zudem zu antiallergenem Hundefutter verarbeitet, das besonders bei Rassehunden sehr gefragt ist. So geht nichts verloren. Geschmacklich erinnert das Fleisch an Rind und Wild und sollte auf jeden Fall nur rosa angebraten werden, empfiehlt Gärtner. Aber auch für Carpaccio und Tatar eignet sich der Vogel hervorragend. Bei der Wurst- und Aufstrichproduktion arbeitet das Straußenland mit einer Metzgerei aus der Region zusammen.

Vom Ei bis hin zum Staubwedel werden im Straußenland verschiedenste Erzeugnisse produziert und angeboten.

Sehenswert

Die Straußenprodukte, die sowohl im eigenen Webshop als auch im Laden vor Ort angeboten werden, machen rund 50 Prozent des Jahresumsatzes im Straußenland aus. Den Rest der Einnahmen verdanken die Betreiber dem Exotenstatus ihrer Tiere. „Gerade am Anfang hatten wir hohe Kosten und kaum Gewinn, weil es natürlich gedauert hat, bis die Zucht in Schwung gekommen ist“, erinnert sich Reiner Gärtner zurück. „Deswegen haben wir begonnen, Führungen anzubieten.“

1994 kamen rund 3.000 Besucher, um die Vögel aus nächster Nähe zu erleben. Aktuell führt Gärtner jedes Jahr rund 10.000 Besucher durch das Straußenland und bringt ihnen die Laufvögel näher.

Federn, Fett und mehr

Und auch das Fett, das Strauße kaum im Muskel, sondern in einer eigenen Schicht unter der Haut ansetzen und das bis zu 15 Kilogramm pro Tier ausmachen kann, findet Verwendung. „Zum einen ist es natürlich ein Geschmacksträger, den wir zur Erzeugung von Leberaufstrich und Wurst nutzen“, erzählt Gärtner. Zum anderen arbeitet das Straußenland auch mit einem Hersteller von Hautcremes zusammen. „Denn Straußenfett hat einen der höchsten Anteile an ungesättigten Fettsäuren überhaupt – mit bis zu 74 Prozent an Omega-3- bis Omega-9-Fettsäuren. Als Kosmetik kann es seine antibakteriellen und antiseptischen Eigenschaften voll ausspielen. Da hilft es gegen rissige und gesprungene Haut, Schuppenflechte und mehr.“

 Zu guter Letzt fertigt Gärtner von Hand Staubwedel und Boas aus den Straußenfedern an. Und die Häute der Vögel werden für begehrtes Leder gegerbt, aus dem Handtaschen, Gürtel und mehr gemacht werden: „In den letzten Jahren haben auch immer mehr Luxusmarken Straußenleder für sich entdeckt“, lacht Gärtner. „Seither ist das Material gerade bei Designertaschen voll im Trend. Preise wie Gucci und Prada verlangen wir allerdings nicht.“

Straußen-Tradition

Aus heutiger Perspektive sind Strauße in Europa echte Exoten. Historisch betrachtet stimmt das aber eigentlich nicht. „Ursprünglich stammen die Vögel zwar aus Asien“, erklärt Reiner Gärtner. „Seit rund einer Million Jahren sind sie aber auch in Afrika heimisch und eine Zeit lang waren sie auch in unseren Gefilden anzutreffen.“

Funde belegen, dass es bis vor rund 10.000 Jahren auch auf dem Gebiet der heutigen Ukraine und in Ungarn, eventuell sogar bis nach Österreich, Straßenpopulationen gab. Und auch in der jüngeren Geschichte gibt es Belege dafür, dass die Laufvögel in Europa zumindest ein Begriff waren: „Römische Offiziere trugen Helmbuschen aus Straußenfedern“, meint der Züchter.

Und auch auf mittelalterlichen Helmen ist die Zier zu finden. „Damals waren es vermutlich die Kreuzfahrer, die die Federn und mehr zu uns gebracht haben.“ Denn auch andere Straußenprodukte kannten die Menschen im Mittelalter. Das zeigen unter anderem Aufzeichnungen von Hildegard von Bingen, die in ihren Rezepten unter anderem Straußenfett erwähnt, das sie vor allem wegen ihrer antiseptischen Eigenschaften zu schätzen wusste.

© Michael Rathmayr

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