„Wenn’s der Mama schmeckt, schmeckt es allen“: Im Grazer Restauraunt Vina kocht die 82-jährige Vietnamesin Thi Ba Nguyen für ihre und andere Kinder jeden Alters.
Text: Michael Rathmayr
Schweinsbraten mit Knödel gibt es im Vina nicht – aber Thi Ba Nguyen isst ihn sehr gerne, wenn sie denn einmal Lust auf gut österreichische Verpflegung hat. Meist bleibt sie aber der Küche ihrer alten Heimat Vietnam treu. Am erst vor wenigen Wochen eröffneten neuen Standort des Vina, inmitten der Grazer Innenstadt, verantwortet Frau Nguyen mit Suppen, Saucen und Marinaden gewissermaßen die Geschmackszentrale des Restaurants.
Als ältestes von zehn Geschwistern hat sie schon immer für alle gekocht – daran will Nguyen jetzt, im hohen Alter, nichts ändern. Vor einigen Jahren ist ihr Mann verstorben, der früher zum Zeitvertreib die Servietten fürs Lokal gefaltet hat. Zuhause warte niemand auf sie, da verbringe sie ihre Zeit lieber mit den Kindern im Lokal. Den leiblichen sowieso – aber auch die Gäste im Vina sieht sie irgendwo als ihre Kinder: „Schmecken muss es ihnen, satt und zufrieden sollen sie am Ende alle sein.“ Amen.
Groß gewachsen
Die nagelneue, wie das Lokal in sanftem Grün gehaltene Küche spielt alle Stücke, Nguyens Stammplatz liegt an den dampfenden Töpfen. Vor dem Komplettumbau war hier an der Ecke Neutorgasse-Kalchberggasse ein alter Copyshop zuhause. Wo Drucker und Kopiergeräte standen, wird jetzt ganz originär und authentisch vietnamesisch gekocht. Mit dem Vina hat Familie Nguyen 2015, damals noch am Grießkai, am anderen, westlichen Murufer, das erste vietnamesische Restaurant der Stadt eröffnet. Andrang und Erfolg stellten sich pfeilschnell ein, die rund 30 Sitzplätze waren im Grunde permanent ausgebucht. Jetzt, am neuen Standort hat man inklusive bepflanzter Dschungelwand deutlich mehr Platz. 80 bis maximal 120 Plätze sind es – ausreserviert ist man trotzdem andauernd.
"Schmecken muss es, satt und
zufrieden sollen sie am Ende sein."
Thi Ba Nguyen
Neustart
Anfang der 1980er ist Thi Ba Nguyen über Indonesien nach Österreich geflüchtet. Damals war sie 41 Jahre alt und gerade schwanger mit Robert, dem jüngsten ihrer sechs Kinder. Robert Nguyen führt heute das Vina. Alles was er von der vietnamesischen Küche versteht, habe er von seiner Mutter gelernt: „Wir wurden immer von der Mama bekocht. So wissen wir ganz genau, was geschmacklich gut ausgestaltet ist, wo vielleicht noch bestimmte Noten fehlen.“
Robert Nguyen hat 17 Jahre lang bei Magna im Qualitätsmanagement gearbeitet, bevor er dann 2015 ganz in die Gastronomie übersiedelt ist. Schon zuvor hat er 2013 gemeinsam mit seiner Frau Huynh und seiner Mutter im Stadtbezirk Andritz einen Imbissstand eröffnet, um erste Gastroluft zu schnuppern. Dass die vietnamesische Küche in Graz dann dermaßen eingeschlagen hat, habe ihn selbst überrascht. Die Leute waren wahnsinnig neugierig, manche seien vor ihren Ulaubsreisen nach Vietnam vorbei gekommen, um sich kulinarisch auf die Destination einzustellen. Und zur dampfend-aromatischen Phở Bò oder zu den Black Tiger Garnelen in Tamarindensauce holten sie sich bei Familie Nguyen nebenbei noch ein paar Reisetipps ab.
"Wir wurden immer von der Mama bekocht. So wissen wir ganz genau, was gut ist, wo vielleicht etwas fehlt."
Robert Nguyen
Voll dabei
Die Wok-Station, an der es bei Vollbetrieb gewaltig rumpeln kann, wäre inzwischen zu anstrengend für seine Mutter, sagt Robert Nguyen. Die Suppenstation sei hingegen ideal: unerlässlich in der vietnamesischen Küche – aber nicht so sehr mit Hochdruckphasen behaftet. Thi Ba Nguyen, die 16 Jahre in der Großküche der Grazer Schulschwestern gekocht hat, macht im Vina nicht etwa nur die Vorbereitungen am Vormittag mit – sie bleibt tatsächlich, bis das Restaurant um 22 Uhr, 23 Uhr schließt. Das lasse sie sich nicht nehmen, sagt Sohn Robert. Er habe ihr schon oft angeboten, sie noch vor dem Eintreffen der Abendgäste nachhause zu bringen. Aber alleine daheim zu sein – das wolle sie nicht. „Solange sie will und kann, wird sie mit uns hier im Vina bleiben.“
© Michael Rathmayr