Tee statt Wein? Was auf den ersten Blick vielleicht seltsam klingt, findet immer mehr Einzug in die Spitzengastronomie. Der Grund: Dank seiner Vielfalt bietet Tee beinahe unbegrenzte Kombinationsmöglichkeiten und das Potenzial, den Gästen völlig neue Geschmackserlebnisse zu ermöglichen.
Text: Lisa Schwarzenauer
Österreich hat klare Präferenzen, wenn es um Heißgetränke geht: Nur rund 25 bis 27 Liter Tee werden hierzulande jährlich pro Kopf getrunken – im Vergleich zu rund 162 Liter Kaffee pro Kopf. „Es wird hier zwar schon lange Tee getrunken, aber Österreich ist nicht das Land der Teetrinker. Die jährlich konsumierte Menge ist einfach sehr niedrig“, sagt Stephan Krömer, Präsident des Österreichischen Teeverbandes. Historisch kann man den Erfolgslauf von Kaffee in Österreich bis zur Türkenbelagerung Wiens 1683 zurückverfolgen, nach deren Scheitern Hunderte Säcke Kaffee zurückgelassen und damit das erste Wiener Kaffeehaus eröffnet wurde, Krömer sieht aber auch die Nähe zum kaffeeaffinen Italien als Grund für die anhaltende Beliebtheit.
In den letzten Jahren habe sich aber einiges getan, erzählt er: „Das Bewusstsein für Tee ist größer geworden. Besonders die junge Generation akzeptiert Tee als vollwertiges Getränk neben Kaffee und Softgetränken, und mit der ganzen Wellnessbewegung und dem stärkeren Gesundheitsbewusstsein hat auch Tee einen Aufschwung bekommen, vor allem die Kräutertees.“
Tee für jeden Fall
Mehr Aufmerksamkeit verdiene Tee vor allem wegen seiner Vielfalt: „Tee hat so unglaublich viele Facetten, dass man zu jeder Altersgruppe, jeder Tageszeit, jeder Jahreszeit, jedem Essen die richtige Sorte finden kann“, betont Krömer. Bei schwarzem, grünem und weißem Tee ergebe sich alleine durch die verschiedenen Anbaugebiete und Erntezeiten eine riesige Auswahl verschiedener Sorten, und dann gebe es ja zusätzlich noch aromatisierte Tees und Kräuter- und Früchtetees in allen erdenklichen Mischungen. Das Aromenspektrum reicht entsprechend von kräftig, malzig, würzig oder scharf bis hin zu grasig, herb, frisch, sauer, fruchtig, lieblich und allem dazwischen. Das macht Tee zu einem spannenden Thema für die Gastronomie, die langsam, aber sicher entdeckt, welche Möglichkeiten das Getränk bietet: Inzwischen findet sich Tee immer wieder in Speisen, Cocktails und sogar als Begleitung zu mehrgängigen Menüs – zumindest international.
In Österreich ist man noch nicht ganz so weit: „Wenn man nicht alkoholische Alternativen zu Wein oder Bier will, gibt es meist nur Wasser oder vielleicht selbst gemachte Limonaden, was schade ist. Mit viel Liebe zum Detail hergestellte Speisen geschmacklich nicht zu begleiten, bringt nur die Hälfte der Freude“, sagt Krömer. Tees hätten die Vorteile, dass sie ideale geschmackliche Partner für die meisten Speisen seien, sich die Kosten in Grenzen halten und man Gästen zusätzlich ein Geschmackserlebnis bieten könne, mit dem die meisten so nicht rechnen würden. „Jeden, der neu herangeführt wird, verblüfft es, welche Möglichkeiten Tee geschmacklich bietet“, berichtet der Experte. Deshalb arbeite der Teeverband auch seit letztem Jahr mit Gault&Millau zusammen, um das Thema stärker in der heimischen Gastronomie zu verankern.
"Jeden der neu herangeführt wird, verblüfft es, welche Möglichkeiten Tee geschmacklich bietet."
Stephan Krömer, Präsident des Österreichischen Teeverbandes
Wege zum Wissen
Die große Auswahl kann ohne Vorwissen überfordernd sein, deshalb empfiehlt Krömer, sich bei einem Einstieg ins Thema Hilfe bei Experten zu suchen. Man könne sich beispielsweise immer bei Teefirmen direkt melden, wenn man hier keine Berührungsängste hat, müsse sich aber im Klaren sein, dass diese Unternehmen natürlich ihre eigenen Produkte promoten wollen. Alternativ bieten Organisationen wie der Teeverband, der den größten Teil der heimischen Teeindustrie abbildet und sich zur Neutralität verpflichtet hat, ebenfalls Informationen und Beratung. Aktuell ist dort ein Einführungsseminar in die Grundlagen des Tees samt Verkostung in Arbeit, da man in Gesprächen mit Gastronomen und Tourismusschulen gemerkt habe, dass hier definitiv Bedarf besteht.
Ähnliches empfiehlt auch Stijn Van Schoonlandt, Europadirektor der International Tea Masters Association, die weltweit Teeexperten ausbildet. „Es gibt viele gute Blogs über Tee und auch immer mehr Bücher, gerade auch zum Thema Tee im Hospitality-Sektor, mit denen man sich einen ersten Überblick verschaffen kann“, sagt der Belgier. Hilfreich sei auch, so viele verschiedene Tees wie möglich auszuprobieren und sich durch Verkostungen mit den unterschiedlichen Geschmacksprofilen und Aromen vertraut zu machen. Wer ernsthaft in die Welt des Tees eintauchen will, solle aber eine formelle Ausbildung in Betracht ziehen; Programme werden von verschiedenen Institutionen angeboten und können von mehrstündigen Seminaren bis zu mehrmonatigen Lehrgängen inklusive Reisen zu Anbaugebieten reichen.
Illusionen solle man sich aber keine machen, sagt Krömer: Um wirklich alles über Tee wissen zu können, sei das Feld einfach zu komplex, weshalb er persönlich auch kein Fan von den oft bei solchen Ausbildungen verwendeten Begriffen Teesommelier und Tea Master ist. „Ein Teesommelier wäre für mich jemand, der zumindest 90 Prozent der ihm vorgesetzten Teesorten bestimmen kann“, erklärt er. „Das geht bei Wein, bei Käse, aber bei Tee erreicht man dieses Niveau nicht, auch nicht nach einer einjährigen Ausbildung. Ich arbeite seit 40 Jahren mit Tee, habe viel gesehen und probiert, aber ich lerne immer noch dazu und könnte trotz der Erfahrung vielleicht 70 oder 80 Prozent erkennen.“
"Die Wenigsten kommen darauf, dass Tee eine Alternative wäre, wenn das nicht explizit angeboten wird."
Stephan Krömer
Berührungsängste nehmen
Um den Gästen Tee schmackhaft zu machen, brauche es neben dem Fachwissen in erster Linie ein niederschwelliges Angebot. „Die Wenigsten kommen ja darauf, dass Tee eine Alternative wäre, wenn das nicht explizit angeboten wird, wie es in Hotels am Frühstücksbuffet oder nachmittags im Wellnessbereich mit einem Samowar oft der Fall ist“, so Krömer. Den meisten Menschen begegne Tee im Supermarkt, wo sie ein riesiges Regal sehen und sich wahrscheinlich von der Auswahl erschlagen fühlen. „Das kann ich nachvollziehen und das ist unser Job, oder das sehe ich als meine Aufgabe: den Tee über eine ganz niedrige Schwelle näherzubringen.“
Erfreulicherweise tue sich hier in vielen Hotels, Restaurants und auch klassischen Kaffeehäusern gerade einiges: Anstelle von nur Pfefferminz- oder Kamillentee, einem Schwarz- und vielleicht einem Grüntee finde man auf den Getränkekarten inzwischen häufig eine größere Auswahl an Tees, was ein guter erster Schritt sei. „Ich würde noch nicht von einer Trendwelle reden, aber es geht langsam los“, sagt Krömer. Das Potenzial sei jedenfalls da – jetzt müsse nur noch mehr Bewusstsein und Interesse in der Branche und bei den Konsumenten erzeugt werden, um Tee endgültig als gastronomischen Begleiter über das Frühstück hinaus zu etablieren.
Tea Pairing
Wer zwar auf Alkohol, aber nicht auf ein abgerundetes kulinarisches Erlebnis verzichten will, hat mit dem sogenannten Tea Pairing – anstelle der klassischen Weinbegleitung – eine spannende Alternative. Die Herangehensweise ist dabei gleich wie bei Wein: Das Zusammenspiel der Aromen von Tee und Speise soll ein stimmiges Genusserlebnis erzeugen, das über die einzelnen Komponenten hinaus geht.
International ist Tea Pairing in der Spitzengastronomie keine Seltenheit mehr (Vorreiter sind u. a. das New Yorker Restaurant Eleven Madison und der Clove Club in London), in Österreich ist der Trend noch in den Kinderschuhen. Der Österreichische Teeverband empfiehlt zum Start folgende Kombinationen:
Schwarzer Tee
Kräftige, malzige Sorten wie Assam: Wild, Rindsbraten und andere würzige, intensive Speisen
Darjeeling: deftige Pastagerichte, fruchtige Desserts, rote Beeren
Rauchtees (z. B. Pu Erh, Keemung): Gegrilltes, kräftiger Käse, Schokolade, auch gut für Saucen und Marinaden
Grüner Tee, Oolong Tee
Sencha: japanische Gerichte, Lachs, gedünstetes Gemüse
Grüntees aus China: heller Fisch, Meeresfrüchte, Huhn, Salate, milder Käse, leichte Desserts
Weißer Tee
leichte, milde Speisen ohne starke Gewürze
helles Fleisch, Süßwasserfische, Desserts mit exotischen Früchten
Kräutertee
Kräutertees mit zitroniger Note: Currys, Wokgerichte, weißer Fisch, leichte Vorspeisen
Ingwertee: Suppen, süße Desserts
Rooibostee: asiatische und Wokgerichte
Minzige Kräutertees: dunkle Schokolade
Fürchtetee
Mit Hagebutte und/oder Hibiscus: Desserts
Süße Früchtetees: Käse, Wild
Wichtig:
Damit sich die Aromen von Tee wie gewünscht entfalten,
müssen die optimale Temperatur und Ziehzeit beachtet werden.
© David Bohmann, Klaus Titzer, shutterstock.com, ÖTI