Im Wein(keller) liegt die Wahrheit

Nach der Rückkehr aufs Land gründeten Josef und Gerda Wiesler im Südburgenland das Restaurant Ratschen. Der anhaltende Erfolg zeigt, dass sich das Risiko gelohnt hat.

Text: Philipp Buchacher

Die ganze Geschichte fängt mit einem Weinkeller an – und das ist gar nicht einmal so ungewöhnlich. Denn in Josef Wieslers Heimat sind Weinkeller häufig anzutreffen. Das burgenländische Deutsch Schützen, nahe der ungarischen Grenze, ist ein Weinbaugebiet, wo sich bewohnte Gegenden und Weinhänge aneinanderreihen. Dort erbte Wiesler in den 1990er-Jahren einen Weinkeller. Damals lebten er und Ehefrau Gerda Wiesler noch in Eisenstadt, auch von Berufs wegen. Beide kommen aus dem Bildungsbereich. Sie ist Lehrerin, er lange Zeit Geschäftsführer der FH Burgenland und Wiener Neustadt.

Die Änderungen schlichen sich dann langsam während der Jahrtausendwende mit der Geburt des ersten Sohnes ein. Zuerst zog es sie von der Stadt in die ländliche Heimat zurück. Dann, nach 23 Jahren im Lehrbetrieb, ging Gerda Wiesler 2005 in Karenz. Einhergehend wurde auch die Idee reizvoller, in Deutsch Schützen ein Restaurant für gehobene Kulinarik zu eröffnen, erklärt Josef Wiesler: „Es gibt hier viele Winzer, die in ganz Österreich bekannt sind. Aber kulinarisch hat was gefehlt. Wir wollten der Region etwas bieten und zurückgeben.“ Der Standort dafür war rasch gefunden: der geerbte Weinkeller.

Vom Bildungsbereich in die Gastronomie

Mit der nötigen Portion Mut ließ sich das Ehepaar auf dieses Abenteuer ein. Nach rund zweijähriger Bauzeit wurde 2007 das Restaurant unter dem Namen Ratschen eröffnet. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Die Mischung aus regionaler Wirtshausküche und mehrgängigen Menüs sorgte bei Kunden und Kritikern für Aufsehen. Mittlerweile darf man sich über drei Hauben und Lobpreisungen zahlreicher Gastromagazine freuen.

Kurze Zeit darauf kam es zum weiteren Ausbau. Da ein Großteil der Gäste von weiter weg anreiste, war die Idee, eine Übernachtungsmöglichkeit anzubieten, der nächste logische Schritt. So wurde 2011 die Wohnothek gegründet, ein mittlerweile 25 Holzbungalows umfassender Beherbergungsbetrieb.

"Man bekommt Anerkennung und spürt,
dass die Leute schätzen, was man macht."
Josef Wiesler

Höhen und Tiefen

Das Ganze lief einige Jahre im Tandem, Gerda Wiesler kümmerte sich Vollzeit um das Ratschen und die Wohnothek, während Josef Wiesler seine Freizeit zur Arbeit im Restaurant nutzte. 2019 verabschiedete er sich von seiner Fachhochschultätigkeit und konzentriert sich nun komplett auf den Betrieb, während Gerda Wiesler mittlerweile wieder unterrichtet.

Ob es in den Jahren je Zeiten des Zweifelns gab? Natürlich gibt es immer wieder Momente, in denen man sich fragt, warum man sich das antut, erzählt Wiesler. Gerade die Covid-Pandemie und deren Einschränkungen zerrten gehörig an den Nerven. Doch diese Momente werden durch solche des Glücks ausgeglichen: „Der Kundenkontakt reizt sehr an der Arbeit. Man bekommt Anerkennung und spürt, dass die Leute schätzen, was man macht.“ Der hohe Anteil an Stammkunden sei das beste Zeugnis dafür. 

Anderen Quereinsteigern rät er bei aller Motivation, sich nicht nur von Emotionen leiten zu lassen. Das Herz solle definitiv eingebunden sein, aber ein rationaler Kopf dürfe nicht fehlen. Bis 2026, zum 70. Geburtstag, will er noch weiterarbeiten, erklärt er. Da soll dann auch die Übergabe unter Dach und Fach sein. Damit der Region nach dem Abschied der Wieslers etwas bestehen bleibt.

© Michael Rathmayr

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