Vor etwa eineinhalb Jahren entdeckte Christoph Reiter seine Begeisterung für Pilze – eine Faszination, die ihn seither nicht mehr loslässt. Mit Kreativität und Innovationsgeist hat er sich mit dem Unternehmen „Schwammerlhof“ seine eigene Nische geschaffen.
Wie kommt man dazu, eine Schwammerlzucht zu gründen?
Vor ungefähr anderthalb Jahren besuchte ich den Bauernmarkt in Schwaz und stieß dort auf einen Stand mit auffällig pinken, gelben und haarigen Pilzen. Ihre Vielfalt zog mich sofort in den Bann.
Der Verkäufer erwähnte, dass er einen neuen Partner suche. Allein der Gedanke daran faszinierte mich. Innerhalb von 45 Minuten hatte ich ein umfassendes Marketing- und Vertriebskonzept konzipiert, für das man normalerweise Monate benötigt. Leider hörte ich nie wieder von ihm. Dank der umfassenden Unterstützung seitens meiner Ehefrau traf ich eine mutige Entscheidung: Ich kündigte meinen Job, widmete mich voll und ganz dem neuen Projekt und konnte schlussendlich meine neu entfachte Leidenschaft zum Beruf machen.


Wie ging es dann weiter?
Zunächst räumte ich meinen Keller leer, um Platz für ein kleines Zelt mit Befeuchter und Lüfter zu schaffen.
Ich besorgte fertige Substratpakete und begann mit den ersten Zuchtversuchen – zur großen Freude mit sofortigem Erfolg.
Nach und nach erweiterte ich meine Ausstattung, sodass bald der Platz nicht mehr ausreichte.
Die Suche nach einer geeigneten Halle erwies sich dann als unerwartet schwierig und ließ mich fast aufgeben. Doch im März des vergangenen Jahres hatte ich Glück: Durch Zufall fand ich eine passende Produktionsstätte in Vomp, die bis heute mein Standort ist.
Warum hast du dich auf Austern- und Edelpilze spezialisiert?
Von Anfang an war mir klar, dass Champignons nicht infrage kommen. Sie brauchen nämlich Pferde- oder Hühnerdünger, was mit unangenehmen Gerüchen verbunden ist. Zudem gibt es in Tirol bereits eine große Firma, die sich auf die Sorte spezialisiert hat – eine direkte Konkurrenz hätte wenig Sinn ergeben.
Stattdessen konzentrierte ich mich auf Edel- und Austernpilze, die in Europa noch relativ unbekannt sind.
Damit habe ich meine Nische gefunden.
Welche Produkte bietest du an?
Da ich großen Wert auf eine nachhaltige Produktion lege, verkaufe ich zum einen saisonale Frischpilze. Klimageräte kommen bei mir nicht zum Einsatz – stattdessen passe ich die Pilzsorten der Temperatur an, anstatt umgekehrt. Das schont Ressourcen und reduziert den Energieverbrauch erheblich.
Glücklicherweise habe ich einen Myzelhändler gefunden, der eine große Auswahl an Austernpilzen anbietet, die in einem breiten Temperaturspektrum gedeihen.
Im Winter kultiviere ich beispielsweise die Sorte „Schwarze Magie“, die zwischen 5 und 15 Grad wächst.
Im Sommer setze ich auf wärmeliebende Varianten wie den Abalone Seitling, White Pearl oder Rosenseitling, die Temperaturen um die 28 Grad bevorzugen.
Zudem verfolge ich eine konsequente Low-Waste-Strategie. Frischpilze verkaufe ich nur, solange sie nicht älter als zwei Tage sind. Ältere Exemplare oder solche mit kleinen optischen Makeln verarbeite ich weiter – etwa zu veredelten Pilzprodukten.
Apropos Pilz-Kreationen: Letztes Jahr hast du mit Pilz Jerky und Schwammi Spice beim Lebensmittelinnovationspreis überzeugt. Was macht diese Produkte besonders?
Die Ideen entstanden aus einer Notlage. Zu Beginn meiner Zucht hatte ich schlichtweg zu viele Pilze und musste eine Lösung finden, um sie sinnvoll zu verwerten.
Pilz Jerky basiert auf dem Rosenseitling, auch als „Speckpilz“ bekannt. Ich erkannte sein Potenzial als pflanzliche Alternative zu Speck. Die ersten Versuche waren nicht zufriedenstellend, doch ich tüftelte weiter, bis die Rezeptur stimmte. Das Ergebnis ist ein knuspriger Snack, der roh genossen, als Suppeneinlage oder knuspriges Topping auf Salaten oder Brötchen verwendet werden kann.
Schwammi Spice, mein Suppenpulver, entstand hingegen deutlich schneller. Ich kaufte herkömmliche Suppenmischungen auf dem Bauernmarkt und verfeinerte sie mit getrockneten Pilzen sowie weiteren Zutaten. Die Kunden waren von beiden Produkten sofort begeistert.

Wird es in Zukunft weitere innovative Produkte geben?
Definitiv! Ich experimentiere ständig weiter. Derzeit arbeite ich an „Schwammi-Streich“ – einem cremigen Aufstrich aus fermentierten Pilzen, Cashewkernen und Kichererbsen.
Der Trend zur veganen Ernährung wächst. Sind Pilze eine vielversprechende Alternative? Werden wir in Zukunft mehr Pilze als Fleisch konsumieren?
Ich glaube nicht, dass Pilze Fleisch vollständig ersetzen werden, aber sie haben enormes Potenzial.
Viele aktuelle Fleischalternativen sind stark verarbeitet oder haben fragwürdige Inhaltsstoffe – bei meinen Pilzprodukten ist das anders.
Besonders Austernpilze und der Igelstachelbart bieten eine hervorragende Nährstoffzusammensetzung.
Ich sehe meine Arbeit prinzipiell aber schon als Beitrag zum Tierwohl: Je mehr Menschen Pilze in ihre Ernährung integrieren, desto weniger Fleisch wird konsumiert.
Wer zählt zu deinen Kunden?
Mittlerweile beliefere ich drei Foodcoops, zwei Bauernläden, verschiedene Einzelhändler – darunter den Fruchthof und Greenroot – sowie die gehobene Gastronomie. Ein eigener Hofladen ist ebenfalls in Planung.
Wohin soll deine unternehmerische Reise noch gehen?
Ich arbeite derzeit an einem dreijährigen Proof of Concept, bis ich eine landwirtschaftliche Ausbildung absolvieren kann und von der Landwirtschaftskammer offiziell als Landwirt anerkannt werde. Mein großes Ziel ist es, meinen Schwammerlhof irgendwann auf einen echten Bauernhof zu verlegen.
Was macht deinen Arbeitsalltag besonders?
Pilze sind meine Passion und die kreative Weiterverarbeitung macht meinen Beruf unglaublich abwechslungsreich. Es ist spannend zu sehen, welche Auswirkungen meine Arbeit hat und welche neuen Möglichkeiten sich dabei ergeben.

© Text: Anna Füreder / Fotograf: Franz Oss