Ein Gulasch, zum Dahinschmelzen zart und sämig, wird seit bald schon jeher im traditionsreichen „Kaffee Alt Wien“ kredenzt.
Text & Bild: Michael Rathmayr
Für die Wienerinnen und Wiener ist das Kaffee Alt Wien in der Bäckerstraße eine Art Insel – mitten im ersten Bezirk, der an exponierten Wochenenden schon einmal wie ein überfülltes Freiluftmuseum anmutet. Entsprechend viel Gastronomie ist hier vor allem auf die Bedürfnisse (und im Urlaub locker sitzenden Geldbeutel) der Touristenscharen ausgelegt. Das Alt Wien findet sich zwar auch in genügend Reiseführern, im Kern bleibt es aber ein Ort für wiederkehrende Kaffee- und Biertrinker, denen die gedämpfte Atmosphäre des Traditionslokals behagt, die auch den Qualtinger noch kennen, der knapp überm Notausgangsschild von der mit Plakaten übersäten ockerfarbenen Wand grüßt.
Traditionsbeisl
1922 wurde das Kaffee Alt Wien eröffnet, 1936 von Josefine und Leopold Hawelka übernommen, die drei Jahre später ins Ludwig in der Dorotheergasse wechselten, aus dem sie das weltberühmte Café Hawelka machten. Seit 1980 wird das Alt Wien von Familie Hrtica geführt, Peter Hrtica führt es nun in zweiter Generation. Besonders in den letzten drei Dekaden vor der Jahrtausendwende war das Alt Wien Anlaufstation der Wiener Kunstszene. Gottfried Helnwein machte 1976 mit einer Aktion im Lokal Schlagzeilen, auch die Fotografin Elfie Semotan und ihr Ehemann, der Künstler Martin Kippenberger, kehrten regelmäßig zu. Manches Bild an den Wänden des Alt Wien erinnert noch an diese Blütezeit.
Aufgesperrt wird in der Bäckerstraße täglich: unter der Woche um 8 Uhr, wochenends eine Stunde später. Sperrstunde ist frühestens um Mitternacht, wochenends um 2 Uhr morgens. Und weil man in so vielen Stunden schließlich nicht nur trinken kann, gibt es im Alt Wien auch sehr gutes, bodenständiges Essen: Suppen, Würstel, (Teufels-)Toasts, geröstete Knödel – und eben das legendäre „Alt Wien Gulasch“.
Traditionsrezept
Schräg gegenüber, beim Figlmüller, wird mutmaßlich eines der besten Schnitzel der Stadt serviert, hierher ins Alt Wien kommt man fürs Gulasch, samt frischem Semmerl (oder Serviettenknödel). Dieses Gulasch nämlich wird seit 30 Jahren nach gleichem Rezept gekocht – es ist und bleibt schlicht zum Dahinschmelzen.
Außer dass Gewürze, Zwiebeln und bestes Kalbfleisch aus der Kamptaler Metzgerei Höllerschmid drin sind, gibt Köchin Biljana Bogdanovic leider nicht viel von dem preis, was bei ihr alles im Kessel landet. Blöd wäre sie auch, ein solches Geheimnis zu verraten. Nur so viel noch: Runde fünf Stunden köchelt die Spezialität des Hauses dahin – und serviert wird natürlich das jeweils am Vortag zubereitete Gulasch. Denn im Gegensatz zu so ziemlich allem anderen schmeckt ein Gulasch … der Spruch ist weithin bekannt. Für Vegetarier:innen gibt es das Stammgericht übrigens in einer ebenfalls feinen Variante mit Steinpilzen, Austernpilzen und Champignons.
Seit Biljana Bogdanovic vor 20 Jahren aus Serbien nach Wien gekommen ist, kocht sie im Alt Wien. Und tatsächlich, sagt sie, sei das hauseigene Gulasch immer noch ihr Lieblingsessen. Wer es schon verkosten durfte, wird sie verstehen.
„Das Fleisch muss schmelzend zart sein, die Sauce würzig und sämig.“ Biljana Bogdanovic, seit 20 Jahren Köchin im Alt Wien
Kaffee Alt Wien
1922 eröffnet, ist das gedämpft beleuchtete Traditionsbeisl in der Bäckerstraße Anlaufstelle für all jene, die dem Treiben im ersten Wiener Gemeindebezirk entfliehen wollen, die sich an der entspannten Atmosphäre im Alt Wien erfreuen. Eine große Frühstückskarte, wechselnde Mittagsmenüs inklusive vegetarischer Optionen und die bodenständigen Speisen, von Eiernockerl übers Gulasch bis zum Apfelstrudel, liefern eine solide Grundlage für was immer an Kaffee, Spritzwein oder Bier noch folgen soll.
© Michael Rathmayr