Jan arbeitet seit einem halben Jahr bei Sinnesberger in Kirchdorf in Tirol, und zwar selbstbestimmt und das trotz seiner Einschränkung.
Text: Barbara Kluibenschädl
Die riesige Verkaufsfläche von Eurogast Sinnesberger bietet Platz für mehr als 35.000 Produkte. Allein im Non-Food-Bereich lagern mehrere tausende davon. Den Überblick zu bewahren, scheint alles andere als leicht. Jan kennt sich hier aber bestens aus. Er weiß genau, wo jedes einzelne Produkt steht.
Jan Gebhardt ist 25 Jahre alt und lebt in Kirchdorf in Tirol nur zwölf Gehminuten von seinem Arbeitsplatz entfernt. Seit November letzten Jahres ist er Teil des Gastro-Großhandel-Teams. Seine Aufgabe: die Regalbetreuung im Non-Food-Bereich. Er achtet darauf, dass die Regale stets gefüllt sind und die Ware ordentlich präsentiert wird. Was man Jan dabei nicht anmerkt, ist sein stark eingeschränktes Sehvermögen. Auf seinem linken Auge sieht der Sinnesberger-Mitarbeiter gar nichts und auf dem rechten besitzt er nur zehn Prozent Sehleistung. Den einzigen Hinweis darauf gibt eine kleine Tasche, die er um die Schultern gehängt hat. Dort befindet sich eine elektronische Lupe, die es ihm ermöglicht, Etiketten zu vergrößern. Verwenden tue er diese aber nicht oft, weiß der Marktleiter-Stellvertreter Thomas Draxl im Gespräch. Besonders auch Jans Merkfähigkeit für Zahlen und Namen ist bei dem riesigen Hochregallager wertvoll. Er weiß über jeden einzelnen Lagerort der Artikel für seine Tätigkeit bestens Bescheid. „Hut ab und Respekt“, meint der Marktleiter-Stellvertreter.
"Alle sagen, Jans Ausstrahlung möchten sie auch haben."
Thomas Draxl
Eigenständiges Arbeiten
Auf die Stelle gekommen ist Jan durch seinen Papa, der Zahnarzt ist, und durch seine Praxis mit Mitarbeitern aus dem Eurogast-Betrieb in Kontakt war. Vor seiner Arbeit bei Sinnesberger in Kirchdorf bei Tirol hatte Jan eine Stelle in einem OBI-Markt. Mit dabei war dort eine Betreuerin, die ihn unterstützte. Bei Sinnesberger konnte er einen Schritt weiter machen – eine Betreuerin braucht er dort nicht mehr. Schon direkt nach seinem achtwöchigen Praktikum arbeitete Jan im Non-Food Bereich eigenständig und selbstbestimmt. Bemerkenswert, finden alle im Großhandel. Wenn er Hilfe braucht, stehen ihm die Mitarbeiter zur Verfügung.
"Die Arbeit geht mir eigentlich nie aus."
Jan Gebhardt
Arbeit ohne Ende
Jan arbeitet von Montag bis Freitag. Um 8.00 Uhr beginnt sein Dienst mit immer derselben Aufgabe – dem Auffüllen des Klopapier-Bestandes. Danach kann er sich seinen Tagesablauf selbst strukturieren. Langweilig wird es dabei nicht. „Die Arbeit geht mir eigentlich nie aus“, erklärt Jan. Irgendwo muss immer ein Produkt aufgefüllt werden. Hat Jan einen Leerstand gefunden, notiert er sich die Nummer auf dem Klemmbrett eines Einkaufswagens und fährt mit diesem ins Lager. In dieser schier endlosen meterhohen Halle das richtige Produkt zu finden, ist für Jan kein Problem. Seine digitale Lupe hilft ihm, die kleingeschriebenen Produktnummern richtig zu notieren. Arbeitsende ist jeden Tag um 15 Uhr. „Jan ist das zu wenig, der möchte am liebsten immer länger bleiben“, so der Markthallen-Stellvertreter bei Sinnesberger. Martin Matic, der Abteilungsleiter des Non-Food-Bereichs, würde ihn dann oft ans Heimgehen erinnern müssen.
"Bei seinen Kollegen kommt er gut an."
Martin Matic
Kollegen Liebling
Seine Arbeitskollegen hätten wohl nichts dagegen, wenn der junge Kirchdorfer länger bleiben würde. Alle haben ihn gerne im Haus und das von Anfang an. „Jan hat immer eine positive Ausstrahlung gehabt und wurde von allen sofort herzlich willkommen geheißen. Alle sagen, Jans Ausstrahlung möchten sie auch haben“, erzählt Thomas Draxl von Jans Anfängen. „Bei seinen Kollegn kommt er richtig gut an“, weiß auch Abteilungsleiter Martin Matic.
Besonders lustig wird es mit den anderen Mitarbeitern in der Mittagspause. Da liefern sich die Lehrlinge, Thomas und Jan gern ein Tischfußball-Match. Gegen Jan und Thomas kommt niemand an, verrät mir Kira, ein Lehrling bei Sinnesberger, und auch die beiden meinen grinsend: „Wir sind ein super Team.“
© Franz Oss