Eurogast Speckbacher feiert heuer sein 120-jähriges Jubiläum. Andrea Speckbacher erzählt, wie sich der Tiroler Familienbetrieb von der Bäckerei zum Lebensmittelgroßhandel entwickelt hat – und warum ein Dampfbackofen maßgeblich zum Erfolg beitrug.
Das Unternehmen wurde laut Firmenbuch am 23. Oktober 1905 von meinen Urgroßeltern Alois und Maria Speckbacher gegründet – ursprünglich als erste Ausserferner Dampfbäckerei.
Damals galten sie als Technologieführer: mit einem Dampfbackofen mit zwei Kammern, bei dem die Hitze mithilfe von Wasserdampf aus der Heiz- in die Backkammer geleitet wurde. Man könnte sagen, es war ein früher Vorläufer des heutigen Dampfgarers. Dann kam der Erste Weltkrieg und viele Mitarbeitende mussten in den Krieg ziehen. In der Folge wurde der Bäckereibetrieb auf einen Lebensmittel- und Kolonialwarenhandel umgestellt, inklusive eigener Kaffeeröstung. Nach dem Zweiten Weltkrieg gewann der Tourismus zunehmend an Bedeutung. Mit den sogenannten Sommerfrischlern kamen vorwiegend Gäste aus Deutschland, die mehrere Wochen in der Region verweilten – und mit Lebensmitteln versorgt werden mussten.
So hat man sich letzten Endes darauf spezialisiert.
Als mein Vater Kurt Speckbacher das Unternehmen übernahm, erwarb er 1974 das Grundstück in der Großfeldstraße. Die Übersiedelung vom Stadtzentrum an den heutigen Standort war ein bedeutender Meilenstein in der Firmengeschichte – ausgelöst durch Platzmangel. Damals war das Gebiet noch unbebautes Grünland und wir waren die Ersten, die sich in diesem neuen Gewerbegebiet ansiedelten. Seit 1976 ist die Firma Speckbacher Mitglied der Eurogast Österreich. Dadurch profitieren wir von modernster Web-Technologie – vom Online-Shop bis hin zur digitalen Bestellassistenz „Best.Friend Voice“. In den 1980er- und 1990er-Jahren wurde der Betrieb mehrfach umgebaut und erweitert. 2002 übernahmen schließlich mein Bruder Peter und ich den Familienbetrieb in vierter Generation. Er ist heute als Geschäftsführer tätig, ich als Prokuristin mit Verantwortung für Vertrieb und Marketing – vereinfacht gesagt: Er kümmert sich um die inneren Angelegenheiten des Unternehmens, ich um die äußeren. Ein weiterer wichtiger Schritt war der umfassende Umbau unseres C&C-Abholmarkts zur modernen Markthalle vor zwei Jahren.
Und erst vor rund drei Monaten haben wir in einen modernen Pfandautomaten investiert.
Das waren sicher die Krisenzeiten: von den beiden Weltkriegen bis hin zur Coronapandemie. Während der Weltkriege übernahm die Firma Speckbacher eine zentrale Rolle in der regionalen Versorgung: Damals erfolgte die Lebensmittelverteilung über Lebensmittelkarten, unser Betrieb wurde daher zu einem wichtigen Dreh- und Angelpunkt. Vor allem die Coronapandemie war für uns sehr herausfordernd, da allgemein eine große Unsicherheit herrschte. Unser Abholmarkt blieb durchgehend geöffnet, doch die Zustellung beschränkte sich auf systemrelevante Einrichtungen wie Krankenhäuser, Pflegeheime und Bäckereien – um zumindest die Grundversorgung aufrechtzuerhalten. Trotz aller Einschränkungen mussten wir Wege finden, um den Betrieb am Laufen zu halten. Das war keine leichte Zeit, aber im Team haben wir es geschafft. Allein wäre das nicht möglich gewesen.
Die Firma ist ein Teil unserer Familie und meiner persönlichen Familiengeschichte. Meinem Bruder und mir ist es sehr wichtig, dass das Unternehmen Bestand hat. Wir haben ein tolles Team mit 80 Mitarbeitenden. Viele davon begleiten uns bereits seit vielen Jahren, heuer durften wir sogar ein 40-jähriges Mitarbeiterjubiläum feiern – etwas, das in der heutigen Zeit alles andere als selbstverständlich ist. Solche langjährigen Beziehungen freuen uns sehr und sprechen für ein gutes Betriebsklima. Natürlich tragen Mitarbeiter-Events- oder -Vergütungen zur Bindung bei. In erster Linie zeichnet uns aber besonders aus, dass wir sozusagen „Chefs zum Angreifen“ sind. Die Größe des Betriebes erlaubt es uns, nah an den Mitarbeiter:innen zu sein. Wir kennen alle mit Namen, größtenteils auch die Familiengeschichte dazu, und wissen, wo sie wohnen. Das unterscheidet unseren Familienbetrieb klar von anonymen Großkonzernen.
Auch da legen wir großen Wert auf persönlichen Service und langfristige Partnerschaften. Besonders freut es uns, dass einige Betriebe bereits in der dritten Generation zu unserem Kundenstamm zählen. Wir beliefern rund 900 Gastronomie- und Gewerbekund:innen – nicht nur im gesamten Bezirk Reutte, sondern auch darüber hinaus: Unser Einzugsgebiet reicht vom Allgäu bis ins Kleinwalsertal. Zusätzlich ist unsere Markthalle für alle Genussliebhaber:innen geöffnet, auch da wird der persönliche Service großgeschrieben. Und nicht zuletzt gibt es auch auf Lieferantenseite enge und langjährige Beziehungen. Viele Partnerschaften bestehen seit Jahrzehnten: So waren einige Marken, die wir heute im Sortiment führen, schon in den 1930er-Jahren in unseren Regalen zu finden.
Ob Handwerker oder Hausbank: Wir haben viele bewährte Partner aus der Umgebung, mit denen wir seit vielen Jahren eng zusammenarbeiten. Zudem sind wir ein verlässlicher Partner für lokale Vereine und umliegende Schulen. Es ist für uns selbstverständlich, das Gemeinwesen aktiv zu unterstützen. Denn wir wissen: Nur wenn es der Region gut geht, kann auch unser Unternehmen nachhaltig erfolgreich sein. Diese Verantwortung nehmen wir sehr ernst.
Die letzten Projekte, die wir in Angriff genommen haben, fanden im Rahmen des Umbaus der Markthalle statt. So haben wir unser gesamtes Kühlsystem auf eine klimafreundliche CO2-verbundene Anlage umgestellt. Diese verzichtet komplett auf umweltschädliche Kühlgase. Ein weiteres Projekt betrifft das Recycling: Hier haben wir uns intensiv mit dem Thema Pfandsystem auseinandergesetzt und vor Kurzem in einen modernen Pfandautomaten investiert. Zu guter Letzt wurde im vergangenen Herbst eine Photovoltaikanlage installiert, mit der wir einen Teil unseres Energiebedarfs selbst und nachhaltig decken können.
(lächelt) Das ist eine gute Frage, die sich nicht konkret beantworten lässt. Natürlich ist es für uns wichtig, unseren Kundenstamm und unser Produktangebot nicht nur zu erhalten, sondern auch stetig zu erweitern. Besonders der Allgäuer Raum bietet hier noch viel Potenzial. Ein weiteres Thema ist die technologische Weiterentwicklung, vor allem im EDV-Bereich.
Zwar arbeiten wir bereits mit einem EDV-gestützten Lager, doch die Digitalisierung und Automatisierung unserer Lagerprozesse wollen wir noch weiter vorantreiben. Auch Themen wie die Nachhaltigkeit werden in Zukunft eine größere Rolle spielen. Ansonsten muss man einfach schauen, dass man den Herausforderungen, die auf uns zukommen, gewachsen ist. Die sind oft unerwartet und daher nicht planbar – da muss man sich einen gewissen Spielraum lassen.
Man blickt schon mit einer gewissen Ehrfurcht darauf. Ich habe einmal gelesen, dass nur etwa fünf Prozent aller weltweit gegründeten Unternehmen 120 Jahre überleben. Wenn man darüber nachdenkt, was jede Generation zum Erfolg unseres Familienbetriebes beigetragen hat – und wie viel Energie, Innovation und Liebe jede einzelne Person in das Geschäft eingebracht hat – dann spürt man die große Verantwortung, die damit einhergeht. Schließlich möchte man das Erbe weiterführen und dafür sorgen, dass der Betrieb auch in Zukunft Bestand hat und sich weiterentwickeln kann – in welche Richtung, wird sich zeigen. Das finde ich persönlich schon sehr spannend.
Für die Gastronomiekund:innen haben wir bereits einige Aktionen geplant, die wir auf unserer Herbstmesse vom 7. bis 9. Oktober 2025 präsentieren werden. Während der drei Messetage feiern wir gemeinsam mit unseren Kund:innen und bieten spezielle Jubiläumsangebote an. In der Markthalle möchten wir in den Monaten November und Dezember mit verschiedenen Events und attraktiven Angeboten feiern, da möchte ich an dieser Stelle jedoch noch nicht zu viel verraten – damit die Spannung bleibt und die Überraschung gelingt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Zur Person:
Andrea Speckbacher begann ihre berufliche Laufbahn in einer Bank und arbeitete als Wertpapierhändlerin, bevor sie in den heimischen Betrieb wechselte und 2002 gemeinsam mit ihrem Bruder Peter das Ruder der Leitung in die Hand nahm. Daneben absolvierte sie ein berufsbegleitendes Studium in Innsbruck. Speckbacher wirkt unter anderem in der Wirtschaftskammer mit, ein Aufsichtsratsmandat beim Tourismusverband rundet ihr vielfältiges Engagement ab. Ihre Leidenschaft für das Reisen verbindet sie mit einer großen Freude an gutem Essen – sei es in einer kleinen italienischen Trattoria oder in einem Haubenlokal.
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